4. Hamburger Mediationstag: Das Fremde und das Eigene“ – Mediation bei interkulturellen Konflikten

Der 4. Hamburger Mediationstag – veranstaltet von der MediationsZentraleHamburg (MZH), der Öffentlichen Rechtsauskunft und Vergleichsstelle (ÖRA) , der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, unterstützt von der Justizbehörde – zeigte:

Mediation ist ein wirksames Konfliktlösungs-Verfahren, um „Verschiedenheit“ (diversity) zu managen. Die Stärke von Mediation zeigt sich gerade im Kontext komplexer gesellschaftlicher Prozesse und ihrer Widerspiegelung im Einzelfall. Das machte die Anmoderation, der 1. Vors. Der MZH, Franziska Geier, deutlich.

Prof. Dr. Stephan Breidenbach behandelte dieses Thema einführend und tiefgreifend von seiner philosophischen Seite und nahm dabei Bezug  auf Prinzipien des Taoismus und des Buddhismus. Er sprach von der Notwendigkeit, sich als Mediatorin mit dem Fremden und dem Eigenen in uns selbst als Person und auf kollektiver Ebene in uns als kulturell geprägter Gruppe intensiv auseinander- und wieder zusammen zu setzen und dabei wirklich durchlässig und offen zu werden für das was anders, was fremd ist.  Bis wir es so tief wahrnehmen, dass es nichts Fremdes mehr hat. Auf der  individuellen sowie auf der kulturellen Ebene werden wir damit als Mediatoren handlungsfähig, um Zukunftsprozesse zu denken und zu spüren, zu antizipieren. Als solch reflektierte Mediatoren haben wir  -laut Breidenbach-  die Kraft und  die Fähigkeit  für die „Partizipative, die 4. Kraft in der Gesellschaft“  die Zukunft, die Komplexität des 21. Jahrhunderts zu mediieren, zu moderieren, zu gestalten. Mediation als Partizipationsverfahren und nicht nur als Konfliktlösungsverfahren ist Not-wendend.

Am Nachmittag belegten etliche Fallstudien und viele Praxis-Beispiele wie Mediation  funktionieren kann.

  • Ansiedlung einer Flüchtlingsunterkunft

Unter der Moderation von Frau Vagedes-Baus demonstrierte Roland Schüler ein gelungenes Beispiel für die einbeziehende, friedliche und akzeptierende Ansiedlung einer Flüchtlingsunterkunft unter Einbeziehung – gerade der kritischen Nachbarn. Genau das braucht Hamburg – und zwar präventiv und nicht wenn es schon zu spät ist. Für viele Vertreter aus Politik und Verwaltung ist das noch neu, was die interessierten Nachfragen zeigten.

  • Konfliktbearbeitung in interkulturellen Teams im Rahmen von Organisationsveränderungen

Arnold Landes ist seit Jahrzehnten weltweit unterwegs als Mediator und Berater für Organisationsveränderungen. Seine lebendigen Schilderungen zahlreicher Aufträge aus Ländern wie Nepal, Japan, Indonesien und auch Deutschland wurden eingerahmt in einige Leitsätze seiner Arbeit wie.
„Wenn es keinen Widerstand gibt, ist es keine wirkliche Änderung.“
„Das Fremde ist ein Scheinriese, der durch die Begegnung auf Augenhöhe entmystifiziert wird“.
Die Spreu der „guten“ Berater trennt sich vom Weizen laut Landes durch ein konsistentes Methodenfundament. Kultursensible Themen, Verhaltensweisen und No-Gos kann man lernen, aber alles ist nichts ohne eine authentische Offenheit und Neugier in der direkten Begegnung.

  • Mediationstechniken, die besonders für diversity-mediation funktionieren.

Dr. Henning v. Wedel und Dr. Monika Hartges fragten: „Ist jede Mediation interkulturell – oder braucht es bestimmte Einsichten, Wahrnehmungen, Techniken, wenn die Interkulturalität besonders vordringlich ist?“  „Ist Mediation  -so wie wir sie gelernt haben- etwa kulturneutral?“  Autonomie, Wahrnehmen und Verbalisieren von Bedürfnissen im  -geschützten aber dennoch  öffentlichen- Rahmen ist nicht für jede Person/Gruppe erstrebenswert und evt. nicht Teil ihrer sie prägenden Kultur.  Was überhaupt ist kulturelle  Verschiedenheit (diversity):  Was hat der schwule britische Youngster auf dem Christopher-Street-Day in Hamburg mit der türkischstämmigen deutschen Mutter gemeinsam;  was der Hamburger Arzt mit seinen sächsischen Patienten im Dorf;  was die Großfamilie in einem Wohnhaus mit dem Single nebenan; was der langsame Rollstuhlfahrer mit der schnellen bike-botin an der Verkehrsampel?“  Diversity wird nicht nur durch ethnische Zugehörigkeit sondern qua internationaler Definition durch sex, gender, religion, class, age, capability … geprägt.
Die TN probten im  Rollenspiel, ob z.B. shuttle-mediation  förderlich für den geschilderten Diversity-Konflikt ist, wenn aus kultureller Prägung heraus, das Wichtige eventuell nicht in der gemeinsamen Sitzung gesagt werden kann.  Die konkrete Erfahrung damit – wer hätte es gedacht – waren divers! Es gibt nicht nur „die eine“  Methode, es gibt eine vorherige „das eigene/fremde Selbst- und  das System reflektierende Reflektion und Haltung“ ; daraus resultiert Methodenvielfalt – nicht Einfalt!

  • Der Schauspiel- und der Kippbrettworkshop

zeigte die Chancen von kreativen Methoden –  gerade im interkulturellen Dialog – mit mir selber als Mediator und mit den anderen. Torsten Neelmeyer und Britta Ludwig zeigten diese Ansätze, amüsierten und waren lehrreich. Ein großes Lob diesen humorvollen und spielerischen Ansätzen. Alle Menschen auf der ganzen Welt spielen (gern).

Im interaktiven Plenum am Morgen sowie in der Abschlussrunde unter der Moderation von Ulrike Donat  wurden Großgruppenmethoden (wie z.B. Murmelgruppen, Interviews, verbunden mit einer parallelen, hervorragenden   Visualisierung durch Nadine Wiese) praktiziert. Das Gehörte, Ausprobierte und Gelernte wurde interaktiv reflektiert und so Mut gefasst, wirklich mediativ zu agieren:  sich „für“ etwas handelnd einzusetzen  statt  „gegen“ etwas zu lamentieren.

Mediation bringt komplizierte Zusammenhänge fruchtbar und pragmatisch auf den Punkt und ermöglicht Lösungen, wo vorher Überforderung und Streit vorherrschten.

Mediation kommt an; in Hamburg hat Mediation erheblichen Zuwachs. Das zeigen auch die Besucherzahlen, über 250 Personen aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Sozialarbeit, Schule, Psychologie und Justiz haben diese Veranstaltung, die am 15.4.2015 in Hamburg stattfand, besucht.

Die Mediationsszene gibt damit wieder einen neuen Impuls für Hamburg und hofft auf den neuen Senat, damit dieser Mediation noch intensiver einsetzt. Arbeitsfelder gibt es in dieser multikulturellen Stadt genug.  Mediatoren haben sich genau dazu in der MediationsZentraleHamburg e.V. interdisziplinär vernetzt und u.a. diesen hochqualifizierten und hochmotivierten Tag organisiert, der mit Jazz, Wein und Brezeln am Abend fröhlich ausklang.

Dr. Monika Hartges,
Leitende Angestellte
Ausbildungsleiterin bei IMKA-Hamburg (BAFM anerkanntes Ausbildungsinstitut) www.imka.net